Wie MRM trainiert und in der Praxis umgesetzt wird, lesen Sie hier:
1. Vor dem MRM Training wärmen wir uns auf
Wir fangen geruhsam an indem wir uns ins Gedächtnis rufen, was wir im ersten Blogartikel über Maintenance Resource Management schon erörtert haben.
- Maintenance Resource Management wurde in den 1980er und 1990er Jahren etabliert
- Ursache war die Erkenntnis, daß Fehler bei Wartungen zu 20% der Flugunglücke beigetragen hatten
- die Entwicklung von MRM erfolgte aus dem CRM in sechs Generationen
- dabei war die Zusammenarbeit von Fluglinien, Universitäten und Flugaufsichtsbehörden bemerkenswert
- die menschlichen Faktoren spielen eine genauso entscheidende Rolle wie im CRM
- MRM ist die Adaptation von CRM an die besondere Arbeitsumgebung während Wartung und Reparaturen
- das gemeinsame Ziel der Techniker/innen ist die Bereitstellung eines perfekt intakten Flugzeuges
- um dies zu erreichen, müssen Fehler und Beinahe-Fehler rechtzeitig erkannt und ausgemerzt werden, bevor das Flugzeug für einen sicheren Flug übergeben werden kann
Praktisch wird MRM umgesetzt, indem die menschlichen Faktoren beachtet sowie wichtige, aus dem CRM bekannte Prinzipien, wie die situative Aufmerksamkeit, Kommunikation und Speak up entsprechend angewandt werden. Das klingt einfach, doch ein Team muß gut eingespielt sein, will es erfolgreich sein.
2. Trainingsinhalte für MRM in der Luftfahrt
2.1. Empfehlungen der ICAO von 1998
Bereits 1998 legte die International Civil Aviation Organisation, ICAO, in einem empfohlenen Lehrplan Ziele für MRM Trainings fest. Diese wurden in drei Leistungsniveaus eingeteilt. Ging es in der ersten Generation des Maintenance Resource Mangements darum, ein Bewußtsein für die Themen zu entwickeln, wurde 1998 bei jedem der folgenden Unterpunkte sowohl eine Verbesserung des Wissens und des Könnens, wie auch der Einstellung angestrebt, was in der detaillierten Beschreibung der Unterpunkte jeweils näher ausgeführt ist (Seiten 2-1-19 bis 2-1-22).
- Faktor Mensch
- Sicherheitskultur und organisatorische Faktoren
- menschliche Fehler
- menschliche Leistungsfähigkeit und Arbeitsumgebung
- das Trainingsprogramm der jeweiligen Organisation zu menschlichen Faktoren
2.2. Empfehlungen der UK CAA
Um die oben genannten Anforderungen der ICAO zu erfüllen, legte die Civil Aviation Authority, CAA, in Großbritanniten folgende Themengebiete fest:
- Sicherheitskultur und organisatorische Faktoren
- Fehler, Übertretungen und Nichtbefolgen von Prozeduren
- Individuelle Faktoren wie Schichtarbeit, Streß und Fatigue
- Umgebungsfaktoren wie Werkzeuge und Ergonomik
- Prozeduren, Dokumentation und Wartungsdaten
- Kommunikation, Übergaben, Freizeichnung
- Planung, Vorbereitung und Teamarbeit
- Professionalität und Integrität
- Fehlermanagementprogramm einer Organisation, inclusive Fehlermeldung, Aufarbeitung und Weiterverfolgen der etablierten Lösungen
3. In MRM Trainings üben die Teilnehmenden praxisnah
3.1. Wer übt in den MRM Trainings?
Die Frage ist tatsächlich berechtigt. Zunächst lag das Augenmerk solcher Kurse auf dem gehobenen Management. Erst im Laufe der Zeit wurden alle Berufsgruppen integriert, die mit Wartung, Instandhaltung und Reparaturen zu tun haben.
Nun umfassen die Trainingskurse vor allem die Techniker/innen, aber auch Ingenieur/innen, Qualitätsmanager/innen und Expert/innen der Flugunfalluntersuchung. Hierbei ist es sinnvoll, neben einem allgemeinen Teil über die menschlichen Faktoren auch spezifische Trainingseinheiten für die jeweiligen Untergruppen anzubieten.
3.2. Was wird geübt?
Für die Gestaltung der MRM Trainings können die Veranstalter heute aus den Übungen der sechs Generationen von Maintenance Resource Management auswählen. Die Teilnehmenden trainieren hauptsächlich praktisch und absolvieren dabei z. B. interaktive Übungen, Rollenspiele und Fallanalysen. Die untenstehenden Inhalte waren schon in den ersten zwei Generationen von MRM vertreten:
- interpersonelle Kommunikation
- Problemlösung und Entscheidungsfindung
- Durchsetzungsstärke und Konfliktlösung
- situative Aufmerksamkeit
- Besprechungen bei Dienstübergaben
- Führung
- Bewußtsein für Streß und Fatigue sowie Vorbeugung
4. Die Trainingsinhalte kommen in der Realität an
Wer war nicht schon fleißig in Trainingskursen oder auf Kongressen und hat dort Neues gelernt? Was geschieht mit den Kursinhalten, nachdem die Teilnehmer am Arbeitsplatz zurück sind? Ideal ist die Einstellung, daß neues Wissen und Können in die tägliche Arbeit übernommen werden. Das gelingt mit den folgenden Schritten.
4.1. Zielsetzung vor dem eigentlichen MRM Training
Schon bei der Anmeldung überlegen die Teilnehmenden, was sie lernen wollen. Dies gelingt insbesondere dann, wenn sie bereits Verbesserungspotential in ihrer Arbeit entdeckt, Ziele definiert und schriftlich festgehalten haben.
4.2. Im MRM Trainingskurs
Während des Kurses gleichen nun die Teilnehmenden das vermittelte Wissen und Können mit der Realität an ihrem Arbeitsplatz ab und überlegen, wo sie ihre Erkenntisse aus den Übungen umsetzen werden.
Der Erfolg wird noch maximiert, wenn diejenigen zusammen trainieren, die auch zusammen arbeiten. In einer solchen Gruppe können die Trainingsinhalte speziell an die Bedürfnisse angepaßt werden.
4.3. Zurück am Arbeitsplatz
Nun beginnt anhand der definierten Ziele und den Aufzeichnungen dazu aus dem Kurs die eigentliche Arbeit. Beispielsweise werden nun SOPs, Checklisten oder Arbeitsweisen optimiert. CRM-Prinzipien wie Entscheidungsfindung und situative Aufmerksamkeit werden aktiv angewendet, das Fehlermanagement überarbeitet.
4.4. Dauerhafte Sicherstellung der Verbesserungen im MRM
Es ist bekannt, daß Trainingsinhalte in der Realität mit der Zeit verblassen können. Wie gelingt es den Technikerinnen und Technikern nun, ihre positiven Veränderungen nach ihrem Kurs dauerhaft zu sichern? Indem sie schon vor und während des Kurses überlegen, welche verbesserten Punkte sie dauerhaft sichern wollen.
Diese Punkte werden nun ebenfalls schriftlich festgehalten mit ihren dazugehörigen Zeitpunkten und Methoden der Überprüfung. Zur Überprüfung können nun standardisierte Fragebögen für das Personal, Checklisten und natürlich Gesprächsrunden eingesetzt werden.
5. MRM Training und seine Erfolge
Maintenance Resource Management Training ist nicht verpflichtend vorgeschrieben. Die Frage nach dem Erfolg ist deshalb nicht weniger interessant und wurde entsprechend aufgearbeitet (Patankar, 2019).
5.1. Direkte Resultate während der Arbeit
Insgesamt zeigten vor allem die Techniker/innen von der vordersten Front Begeisterung für die MRM Trainingsprogramme. Diese ließ dann nach, wenn Verbesserungen in der Ergonomie des Arbeitsplatzes seitens der Vorgesetzten ausblieben.
Durch MRM Training optimierten die Techniker/innen vor allem ihre Einstellung zum Streßmanagement, was am deutlichsten mit der Verringerung von Verletzungen, die zu Arbeitsausfällen führen und Schäden an Flugzeugen am Boden korrelierte.
Insgesamt zeigten die Teilnehmenden der Kurse großen Willen, die neuen Kenntnisse umzusetzen, während das Betriebsklima solche Veränderungen nicht immer voll unterstützte. Daran läßt sich ablesen, daß Folgeinterviews, die alle Ebenen einer Organisation einschließen, helfen, den Erfolg von MRM Trainings dauerhaft zu sichern.
5.2. Auswirkungen von MRM Trainings auf das Betriebsergebnis
Auch wenn die Federal Aviation Administration, FAA, in den USA einen Kalkulator für die Rentabilität einer Investition in MRM Trainingsprogramme bereitstellt, und sich mehrere Autoren mit dem Thema befaßt haben, so ist es schwierig exakt auszurechnen, welchen Einfluß auf das Betriebsergebnis ein einzelnes Trainingsprogramm in Zusammenschau mit allen anderen Sicherheitsmaßnahmen einer Organisation hat.
Es läßt sich aber festhalten, daß ein einziger Unfall, der auf mangelnde Sicherheit zurückzuführen ist, das Ansehen und den Marktwert der betreffenden Flugline erheblich schädigt. Zudem ist es nicht nur menschlich und ethisch, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft, wenn Verletzungen des Personals und Beschädigungen von Maschinen am Boden in ihrer Anzahl reduziert werden.
5.3. Weltweiter Einfluß der Trainingsprogramme auf die Sicherheitskultur im MRM
Wie auch im Crew Resource Management, änderte sich das Fehlermanagement im Laufe der Generationen der MRM Entwicklung. Es dauerte mehr als ein Jahrzehnt bis man den Weg von Beschuldigen und Bestrafen hin zu einer Just Culture gefunden hatte.
Wie wir aus dem CRM wissen, verbessert ein Fehlermanagement, in welchem Fehler rapportiert und aufgearbeitet werden, auch die Sicherheit.
Patankar M.S.: „Maintenance Resource Management for Technical Operations“ in: „Crew Resource Management“ Third Edition (2019), edited by Kanki B.G., Anca J., Chidseter Th.R., Academic Press in an imprint of Elsevier, London, UK, pp. 382-390
6. Wo können wir selbst MRM gewinnbringend einsetzen?
Die folgenden Fragen können wir uns auch stellen, wenn wir nicht in einem technischen Beruf regelmäßig mit Wartung und Reparaturen betraut werden.
- Welche Wartungsarbeiten und Instandhaltungen gehören zu unserem eigenen Aufgabengebiet?
- Arbeiten wir dabei als Team?
- Welche Konsequenzen hätten Nachlässigkeit und Fehler?
- Was können wir für gefährliche Arbeiten und Übergaben an Schnittstellen übernehmen?
6.1. Geräte in der Forschung und Diagnostik als Beispiele
In der medizinischen Forschung und Diagnostik werden unterschiedlich komplexe technische Geräte eingesetzt. Teilweise arbeiten mehrere Teams abwechselnd an solchen Geräten, wie z. B. an speziellen Mikroskopen oder einem Durchflußcytometer. Je nach Gerät gehören Kalibrierungen und einfaches Problemlösen zum Arbeitsalltag.
Wie kommunizieren und beheben wir festgestellte Fehler und Ungenauigkeiten, bevor sie bei uns oder einem nachfolgenden Team zu verfälschten Ergebnissen führen, die potentiell weitreichende Konsequenzen haben? Wer nimmt die Rekalibrierung oder notwendige Reparaturen vor? Brauchen wir Hilfe durch einen technischen Betrieb?
6.2. Woher MRM die Schnittstellenarbeit kennt
Die Arbeit an Schnittstellen ist Menschen in medizinischen Berufen bereits vertraut. In der Tat war es so, daß man sich bei der Zusammenarbeit von Teams und deren Übergaben im MRM an den Schichtübergaben der Pflegenden im Krankenhaus orientiert hat.
Es ist selbstredend, daß bei solchen Übergaben zwischen Teams nichts vergessen werden darf. Daher wird der Übergabe Zeit und ein Besprechungsraum gewidmet, teilweise gibt es feste Schemata dazu, in welcher Reihenfolge berichtet werden soll.
Gerade im Rettungsdienst sollten auch technische Details an das nachfolgende Team übergeben werden. Bei welchen Geräten tauchen Probleme auf, was muß ausgetauscht oder erneuert werden? Es wäre zum Beispiel folgenreich, ohne funktionierendes Beatmungsgerät bei einem beatmungspflichtigen Patienten anzukommen.
6.3. MRM und gefährliche Arbeiten
Jedes Team, das gefährlich Arbeiten ausführt, hat selbstverständlich Sicherheitsstandards dafür entwickelt. Das zusätzliche Augenmerk im Maintenance Resource Management liegt auf der Vermeidung potentieller Unfälle bei gefährlichen Tätigkeiten durch Anwendung von CRM Prinzipien.
Diese Kombination aus Bewußtsein für die einzelnen Gefahren und aus dem CRM bekannten Techniken geht über den schon vorhandenen, wertvollen Arbeitsschutz hinaus.
Wenn wir jetzt selbst Wartungsarbeiten vornehmen, so tun wir gut daran, CRM Prinzipien wie situative Aufmerksamkeit, vorausschauendes Planen, Speak up und Kommunikation zielführend einzusetzen, um weder an teuren und sensiblen Geräten folgenreiche Schäden anzurichten, noch uns selbst zu verletzen.
7. Im nächsten Blogartikel werden wir nachbesprechen
Wie gestalten wir eine erfolgreiche Nachbesprechung von Fallbeispielen und echten Einsätzen? Wir sehen uns gemeinsam an, wie das Team dabei zusammenarbeitet, Hintergründe von Ereignissen ans Licht bringt und Konsequenzen ableitet. Selbstverständlich sind solche Nachbesprechungen nicht auf die notfallmedizinische Welt beschränkt, sondern Sie können eine solche jederzeit selbst vornehmen.
Autorin: Eva-Maria Schottdorf
Datum: 25. Mai 2022